Wo bleibt die „alte“ Solidarität?

17.11.2021

Seit dieser Woche gelten wieder neue Regeln zur Eindämmung der Pandemie bzw. des Infektionsgeschehens. Menschen, die noch nicht „vollimmunisiert“ sind, sind nun weitgehend vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen (2G) – das bringt nicht nur Arbeitgeber:innen und –nehmer:innen (insbesondere auch jene mit geringerem Einkommen, die in ihrer Tätigkeit nicht ins Homeoffice wechseln können) in eine nicht nur finanziell schwierige Lage, mit all ihren Konsequenzen, letztlich auch wieder für die Kinder. Denn diese entstandenen und noch entstehenden Ungleichheiten werden uns wohl noch lange nach Ende der Pandemie begleiten und uns als Gesellschaft herausfordern, die Waage (wieder oder endlich) ein Stückchen mehr ins Gleichgewicht zu bringen.

Aktuell wird auch an Schulen wiederum auf die Ereignisse und Herausforderungen reagiert – Elternabende werden auf ein online-Format umgestellt, Schulfeste abgesagt und Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Reagieren mussten die Verantwortlichen hier wieder einmal sehr schnell, denn noch vergangene Woche wurde von Regierungsmitgliedern und Landeshauptleuten wieder fleißig durcheinander informiert und die Verwirrung aller war, wieder einmal, groß. Das soll nicht zynisch klingen und natürlich sind die Geschehnisse im Leben, gerade auch in einer Pandemie nicht statisch, sondern unterliegen Schwankungen, die situationsangemessen und so klar wie irgend möglich beantwortet werden müssen. Und das „Wie“ ist entscheidend.

Doch neben einer sachlichen Debatte um das „Wie“ muss man sich wohl auch fragen, was es mit dieser neuen, einseitigen Solidarität auf sich hat? Ob geimpft oder nicht – wir sind alle betroffen und wünschen doch wohl niemandem ernsthaft den Tod, zumindest aber wohl keinem Freund oder Familienmitglied. Und was wiederholte Diskussionen um Schuld in einer so angespannten Lage verloren haben? Was helfen sie und warum wird anstatt geredet, nicht längst – vorausschauend, sachorientiert und bedacht – gehandelt? Beispielsweise zeigte sich auch bei anderen Impfungen, dass dreimaliges bzw. mehrmaliges und auffrischendes Impfen ausreichenden bzw. nachhaltigen Schutz bietet (auch Viren verändern sich ja) und mit einer weiteren „Welle“ gerechnet werden kann – was ohnehin viele erwarteten und unter anderem Salzburg jetzt deutlich spürt. Trotzdem finden diese Gesichtspunkte wenig und immer noch spät (und dann übereilt) Beachtung von den politischen Verantwortlichen. Emotionsgeladene Worte für etwas so reales wie das Virus und seine Folgen, die uns alle auf vielerlei Arten betreffen, hören unsere Ohren derzeit hingegen häufig und helfen wohl mäßig im konstruktiven Umgang Unsicherheit und Aufgewühltheit.

Ist möglicherweise ein Bild von Text „Erinnerungen an an mich selbst an schweren Tagen: Es ist okay, alles liegen zu lassen und nur für dich da zu sein. Es ist okay, vollkommen wie du dich gerade fühlst. Es ist okay sich Hilfe zu holen, wenn du nicht Die Umstände und/oder Erkrankung machen dich als Menschen nicht aus. allein sein willst. Auch dieser Tag geht vorbei. RAT aufDraht“
Kinder und Jugendliche finden bei Rat auf Draht und anderen Schutzeinrichtungen Hilfe.
Rat auf Draht ist dabei 24 Stunden, 7 Tage die Woche für euch da!

Wie lange hält der und die Einzelne und wir als Gesellschaft so viel Hin- und Her noch aus und kann man überhaupt noch mit Überzeugung von einem „wir“ sprechen, wenn bereits mehr und mehr Brüche, bis hinein in Familien, sich auftun? Und wie geht´s eigentlich den Schüler:innen, die wie die Erwachsenen, in den vergangenen 20 Monaten zahlreiche Déjà- vus erlebt haben? Hier hören wir in Workshops und Beratungen zwar viel Stärke und Hoffnung, doch auch immer mehr tiefgehende Resignation und Verzweiflung. Ein Bild, das auch der Anstieg an psychischer Belastung zeichnet.

Fragen über Fragen, auf die es wohl wenig zufriedenstellende Antworten gibt und die noch einen ausgiebigen Diskurs erfordern in dem Klarheit sich langsam zeigen kann. Schon jetzt gibt es jedoch wenigstens ein paar Dinge, die jeder von uns beitragen kann. Zum einen sollten wir uns alle, unabhängig von geltenden Regeln und Gesetzen, auf das Gute im Menschsein besinnen. Das heißt, versuchen unseren Mitmenschen – unabhängig vom Impfstatus oder anderen Gegebenheiten – auf Augenhöhe zu begegnen. Das heißt, Schwäche als Stärke anzuerkennen und zuzulassen, sich Zeit zu nehmen und auf sich achten – und auch Schüler:innen diese Zeit zuzugestehen und Leistung hintanzustellen! Das heißt, zueinander zu stehen (bildlich gesprochen) und dem Großmut Raum geben.

Denn der Gegner heißt nicht „Geimpfter“ oder „Ungeimpfter“, wir sehen ihn, wenn wir in den Spiegel schauen und können nur versuchen ihn zum Verbündeten zu machen. Es liegt an uns selbst, wie wir den Herausforderungen unserer Zeit begegnen, schauen wir hin und versuchen unser Möglichstes, auch in einigen Monaten oder Jahren uns selbst und unseren Nächsten noch in die Augen schauen zu können. Das mag manchmal und gerade jetzt schwer sein, aber es ist möglich. Und falls doch mal nicht, dann kann ein wenig Mut und ein ernst gemeintes „Tut mir leid“ so manches richten.

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.
Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

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